Räuchern im Berchtesgadener Land: Tradition im Trend
5. Oktober 2020

Räuchern im Berchtesgadener Land: Tradition im Trend

Bergbäuerin Sandra Hörterer verwendet Alpenweihrauch und heimische Bergkräuter zum Räuchern

Piding: Angewiesen auf die eigene Kraft und die der Natur beruht das Leben in der Alpenregion weit mehr auf Naturverbundenheit als in der Großstadt. Viele Menschen leben dort auch heute noch ursprünglicher und pflegen altbewährte Traditionen und Bräuche. So auch Bergbäuerin Sandra Hörterer, deren Hof südlich vom Chiemsee seit 1395 im Familienbesitz ist und wie viele der 1.700 Landwirte* der Molkerei Berchtesgadener Land regelmäßig in der dunklen Jahreszeit Haus und Stall räuchert, um zu reinigen, zu schützen und zu segnen. Die Kräuter dafür sammelt sie auf der Alm auf 1.300 Metern Höhe, wo die Kälber und Jungrinder des Hofes den Sommer verbringen und durch ihr tägliches Rupfen und Treten zur großen Kräutervielfalt beitragen. Räuchern wirkt mit der Kraft der Natur wohltuend auf Körper, Geist und Seele und ist damit heute in der oft fordernden Zeit angesagter denn je.

„Die Blüten werden am besten vormittags bei Sonnenschein gesammelt, im Schatten luftgetrocknet und dann luftig in Gläsern aufbewahrt“, erklärt die Kräuter- und Räucher-Expertin Hörterer, die ihr Wissen in Kursen auch an andere Landwirte der Molkerei Berchtesgadener Land weitergibt. „Die kleinbäuerlichen Strukturen unserer Landwirte zwischen Watzmann und Zugspitze fördern den Austausch untereinander und wir freuen uns so auch alte Traditionen weiter leben zu lassen“, so Bernhard Pointner, Geschäftsführer der Genossenschaftsmolkerei Berchtesgadener Land. Im Rahmen der jährlich im Frühjahr und Herbst stattfindenden Wissenswerkstatt werden neben dem Räucherkurs z.B. auch Homöopathie-Kurse für die Behandlung von Kühen und Kälbern, aber auch persönlichkeitsfördernde Kurse wie „Zwischen Kraft und Erschöpfung“ angeboten. Neben dem fachlichen Input ist dabei auch das Miteinander ein wichtiger Aspekt beim Besuch der Kurse für die Landwirtinnen und Landwirte.


Neues entsteht und Altes vergeht
„Es ist die dunkle, stille Zeit in der Neues entsteht und Altes vergeht“, so die naturverbundene Bäuerin. Wenn die Tage kürzer werden und die Kälte Einzug hält, lässt die Energie der Natur und auch die der Menschen nach. Zeit für Rückzug und sich wieder mehr nach innen zu wenden. Räuchern ist im Alpenraum bis heute ein bewährter Brauch, um Stall und Hof zu desinfizieren und zu reinigen sowie Familie und Haus von negativen Einflüssen zu befreien und mit neuer Energie zu füllen. „Emotionen hängen wie Spinnweben in den Ecken“, beschreibt Hörterer. Die gelernte Krankenschwester hat auch eine naturwissenschaftliche Erklärung für die Wirkung des Räucherns: „Duftmoleküle gehen direkt in unser limbisches System im Gehirn, das Zentrum der Emotionen ist.“
Geräuchert wird vor allem bei besonderen Anlässen des Jahresverlaufs sowie zum Schutz vor Krankheiten oder bei vorhandener Erkrankung: So hilft Wachholder bei Erkältungen, Fichte und Salbei wirken reinigend, Minze erfrischt. Der bekannteste und auch heute wohl noch verbreitetste Anlass sind die Raunächte mit dem Abschluss des Dreikönigstags, wo das Haus mit Weihrauch und Myrre von bösen Geistern befreit wird. „Räuchern ist gerade in der heutigen oft stressigen und unsicheren Zeit ein hilfreiches Ritual zum Erden und Entschleunigen und kommt dem Bedürfnis wieder stärker mit der Natur verbunden zu sein nach“, so die Bergbäuerin. Zu den typisch heimischen Pflanzen zum Räuchern zählen Baumharz - auch Weihrauch der Alpen genannt -, Holunder, Lavendel, Zitronenmelisse, Salbei und Mistel oder auch Himbeer- und Apfelbaumzeige, deren fruchtig-milder Duft eine angenehme Raumatmosphäre schaffen.

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** Es sind stets Personen jeden Geschlechts gemeint; zur leichteren Lesbarkeit verwenden wir nur die männliche Form.

Bildtext:
(1) Bergbäuerin Sandra Hörterer beim Sammeln von Kräutern auf der Alm

(2) Bergbäuerin Sandra Hörterer beim Sammeln von Baumharz

(3) Baumharz:
Auch Weihrauch der Alpen genannt

(4) Kräutervielfalt, v.l.n.r.:
•    Fichtennadel-Spitzen: Es reicht ein kleiner Zweig der Fichtennadeln zum Räuchern (möglichst trocken)
•    Wilder Thymian: vor der Blüte die Stiele samt Blättchen ernten
•    Frauenmantel: zur Blütezeit ernten, die im Mai einsetzt und bis August/September andauert. Darauf achten, dass der Morgentau abgetrocknet ist.
•    Johanniskraut: Zur Blütezeit ernten, die meistens gegen Ende Juni beginnt - da ist der Wirkstoffgehalt am höchsten.

Bildquellen: Molkerei Berchtesgadener Land

 

(5) Räucherwerk

Bildquelle: AdobeStock

 

 

 

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