Piding: Am Samstag sind auch die letzten Kühe von den Almen im Berchtesgadener Land abgetrieben worden. … ganz stimmt das jedoch nicht, denn die Fischunkelalm hinter dem Königssee liegt auf gerade mal 618 Meter ü. NN, während das Grafllehen, der heimatliche „Talhof“ der Familie Leitner, auf über 800 Meter ü. NN. liegt. So gesehen war es eigentlich ein „Auftrieb“ und der ist aufgrund der nötigen Umschreitung des Obersees und der Überquerung des Königssees mit dem Schiff mit insgesamt über vier Stunden Dauer wohl einer der aufwändigsten Almabtriebe in ganz Bayern.
Dazu waren neben dem aktuellen Sennpersonal mit Sebastian Willibald (Wastl, 20 Jahre aus Wackersberg), Franziska Riedel (Franzi, 23 Jahre aus Altenmarkt) natürlich Hans Leitner, Bergbauer der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land und gleichzeitig der Almbauer der Fischunkelalm, und weitere sechs Treiber schon am Freitag zusätzlich auf die Alm gekommen.
Morgens um 5:00 Uhr wurden die Kühe ein letztes Mal in den Kaser getrieben und auf der Fischunkelalm hinter dem Obersee gemolken. Noch im Stall wurden die frisch aufpolierten Glocken mit den aufwändig bestickten Lederbändern angehängt. Die Sennerinnen halfen sich gegenseitig beim Frisieren und nachdem alle nach einem kurzen Frühstück ihr Stallgwand gegen das Trachtengwand getauscht hatten, gings los: Zum Abschied und als Dank für den unfallfreien, gut verlaufenen Almsommer wurde im Stall zusammen ein „Vater unser“ gebetet, mit einem Grassl Enzian angestoßen und nachdem die Alm um Punkt 8:00 Uhr zugesperrt worden war, wurde mit dem Abtrieb begonnen: Knöpferl, das Kälbchen, das am ersten August auf der Alm geboren worden war, war noch zu klein für den ganzen Weg und wurde zusammen mit dem Gepäck von Senner und Sennerinnen vorab via Boot über den Obersee gefahren.
Die 11 Pinzgauer Kühe, 3 Kalbinnen und 3 mit Bauchbinden auf der Alm geschmückte Kälber dagegen liefen den viele Stufen ansteigenden, anspruchsvollen Steig von der Alm bis zur Seelände an der Saletalm. Um 9:00 Uhr startete die Schifffahrt über den Königssee. Für die Überfahrt der Kühe über den Königssee wurde von der Königsseeschifffahrt extra eine Fähre gebaut. Bei anfangs dichtem Nebel fuhr die Fähre in der fast einstündigen Fahrt an Sankt Bartholomä vorbei zur an diesem Samstag sonnigen Seelände in Königssee. Um bei dem morgens oftmals dichten Nebel Zusammenstöße mit den Personenschiffen zu vermeiden, wird die Fähre dazu immer auf Sicht zum linken Ufer gefahren, während die Touristenboote von Königssee kommend sich rechts orientieren.
Nachdem die Tiere wieder festen Boden unter den Hufen hatten, wurden sie dieses Jahr wegen Corona bewusst abseits der großen Seelände aufgekranzt. Fertig aufgekranzt gings dann ab 11:00 Uhr vormittags vorbei an den Gästen, die zufällig am Königssee vor Ort waren, entlang der Straße durch den Fahnenspalier vor dem großen Königsseeparkplatz. Von dort gings der Straße folgend in Richtung Berchtesgaden und schließlich rechts rauf Richtung Faselsberg bis zu den Bergweiden unterhalb des Grafllehens.
Pünktlich um 12:00 Uhr, also nach einer weiteren Stunde Fußmarsch, kam die Herde wohlbehalten „dahoam“ an, wurde abgekranzt und in die heimatliche Wiese zum Fressen entlassen.
Für die kommenden 7 Monate wird der 2018 neu gebaute Laufstall mit Laufhof das Zuhause der Herde sein. Die Kühe tauschen nun den malerischen Blick auf den Obersee mit dem Blick auf den Watzmann, der vom Freilauf aus bei schönem Wetter zu sehen ist.
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