Ein neues Leben als Bäuerin:
17. Juli 2020

Ein neues Leben als Bäuerin:

„Ich habe nicht gewusst, dass es so emotional wird“

Ruhe ausstrahlen statt Hektik zelebrieren: Mona Schrobenhausers Weg von der Karrierefrau aus Köln zur Demeter-Bäuerin in den Bergen

Saphira geht erst weiter, nachdem Mona Schrobenhauser sie hinter dem Ohr gekrault hat. Auch Walli stubst Mona an und streckt ihr den Kopf zum Kraulen entgegen. Für einige Milchkühe vom Koanzei-Hof in Surberg fängt der Tag auf dem Weg zum Melkstall nicht ohne frühmorgendliche Streicheleinheit an. Während die Wahl-Bäuerin die Tiere zum Melken treibt, hat es die Sonne noch lang nicht über die Berge geschafft. 3.30 Uhr ist selbst für Landwirte ein früher Arbeitsbeginn. Sind die Demeter-Kühe etwa Frühaufsteher? „Nicht die Kühe, das Kind“, lacht Mona Schrobenhauser. Während die fünfjährige Cecilia – ginge es nach dem Wunsch der Eltern – wenigstens noch eineinhalb Stunden schläft, sind Mona und Thomas Schrobenhauser schon längst bei der Arbeit. Rund 800 Liter Milch melken sie an einem Sommertag  –  seit 2019 in Demeter-Qualität und seither kommt alle zwei Tage der Milchwagen der Molkerei Berchtesgadener Land zur Abholung auf den auf einer malerischen Anhöhe im Alpenvorland gelegenen Hof.


365 Tage im Jahr Homeoffice: Mit Babyphon in den Stall
Mona steht vor dem 2018 neu gebauten Laufstall – „Demeter“ steht auf dem Schild  hinter ihr. Unten werden Saphira, Walli und die anderen 54 Milchkühe schon von ihrem Mann erwartet. Mit der letzten Kuh – häufig ist es Kathi – geht auch Mona runter in den alten Stall. Auf dem Weg zum Melken fällt ihr Blick aufs Babyphon, das im Melkstand steht und sehr zur Freude der Mutter gleichmäßig grün blinkt: Kinderbetreuung zuhause ist auch in der Landwirtschaft, wo Home Office Arbeitsalltag ist, mit Entbehrungen verbunden. Auch Mona schildert, dass sie und ihr Mann nach sieben Jahren das erste Mal für vier Tage Urlaub gemacht haben, um gleich danach mit einem breiten Grinsen anzufügen: „Ich habe den schönsten Beruf der Welt. Den würd‘ ich niemals zurücktauschen.“ „Zurücktauschen“ würde im Fall der 46-Jährigen heißen Latzhose gegen Kostüm, Land gegen Stadt, Familie gegen Business-Paar. In ihrem Leben davor hat sie in der Nähe von Köln in einer der größten Hausverwaltungen gearbeitet, schnell Karriere gemacht. Ihre Liebe zu den Bergen hat sie nie verloren. Mit ihren Eltern und ihrer Schwester hat sie in der Kindheit Urlaub in Reit im Winkl gemacht. „Wir waren die Mädchen vom Stall“, erinnert sie sich und auch an Alma, ihre erste Lieblingskuh.

Leben in der Landwirtschaft: Macher-Mentalität und Gefühlsmensch im Stall mit den Tieren
Eine schwerer Schicksalsschlag macht aus dem Traum „Später zieh ich in die Berge“ einen Ad-hoc-Neustart. Sie zieht mit ihrem damaligen Mann nach Chieming, kauft später ein Haus in Traunstein, arbeitet als Immobilienkauffrau. Die Beziehung zerbröckelt. Thomas tritt in ihr Leben: als Handwerker, der beim Hausumbau hilft; als einer, der anpackt. Die Macher-Mentalität des Landwirts liebt Mona noch heute so sehr an ihrem neun Jahre jüngeren Mann. Der Altersunterschied auf der einen und diese zwei so unterschiedlichen Lebensmodelle der Maklerin und des Landwirts auf der anderen Seite lassen die beiden damals nur sehr langsam zueinander finden. Im Stall mithelfen wollte die Tierfreundin aber von Anfang an. „Da bin ich nach der Arbeit direkt in den Stall gehetzt. Und hab dafür öfter im damaligen Stall beim Melken einen Kuhschwanz ins Gesicht bekommen.“ Sie habe den Stress von ihrer Arbeit mit in  den Stall genommen und das hätten die Tiere gespürt und quittiert. „Man muss immer ruhig bleiben bei den Tieren“, weiß Mona mittlerweile. „Da is‘ der Opa ein ganz großes Vorbild. Wie der mit den Tieren umgeht, einfach mit dieser Ruhe“, beschreibt die Powerfrau.

Hof-Übernahme: Der Weg zum Paradies für die Kühe
Dabei war Thomas Vater beim Thema Umstellung des konventionellen Betriebs auf Demeter erst einmal weniger begeistert. Mit dem offenen Laufstall konnte er sich allein beim Gedanken an schlechtes Winterwetter schon nicht anfreunden. „Und jetzt erzählt der Opa jedem: Die Kühe haben hier ein Paradies“, freut sich Mona und zeigt stolz zu dem 1.600 Quadratmeter großen Stall. Der Weg zum Kuh-Paradies führte bei den Schrobenhausers über die Frage, vor der viele Junglandwirte stehen: „Weitermachen oder Aufhören?“. Einfach wie bisher weitermachen im alten Anbindestall wollten sie auf keinen Fall, das war beiden klar. „Und dann hab ich mich an den Sepp aus Chieminger-Zeiten erinnert, wie der mit seinen schönen Kühen alle samt mit Hörnern über die Wiesen gegangen ist. Das hat so stimmig und friedlich ausgesehen“, schwärmt Mona noch heute. „Der Sepp“ ist einer der zahlreichen Demeter-Bauern rund um den Chiemsee, die zu Berchtesgadener Land liefern. Seinen Hof haben die Schrobenhauser in der Findungsphase besucht. „Bei der Heimfahrt haben wir uns in die Augen geschaut und gewusst: Das ist unser Weg“, erzählt Mona – und Thomas nickt.

Demeter-Hof: Im Einklang mit der Natur und der Nachfrage
Dabei war die Entscheidung für Demeter nicht nur eine romantische Vorstellung vom Leben im Einklang mit der Natur, sondern auch eine realistische Zukunftsentscheidung. „Demeter war und ist gefragt. Wir sind sicher, das ist auch langfristig der richtige Weg“, sagt Mona, die Finanzexpertin am Hof. Vor dem Stall-Neubau – auch finanziell ein Riesenprojekt – sicherten sie sich die Zusage von der Molkerei Berchtesgadener Land, als Demeter-Bauern aufgenommen zu werden. „Wir stehen total hinter dem Konzept der Molkerei: dem Genossenschaftsprinzip und dem Nachhaltigkeitsaspekt.“ Allein aus Geldgründen könne man die Umstellung auf Demeter nicht machen, sind sich die Schrobenhausers sicher. Eine Kuhherde auf „mit Hörner“ umstellen, Einsteigerseminare belegen, biodynamische Präparate anwenden, Mondphasen bei Aussaat, Pflege und Ernte beachten – ohne hinter der zugrundeliegenden Philosophie zu stehen, kaum möglich. Für das herzliche Paar vom Koanzei-Hof eine Selbstverständlichkeit beim Einkauf auf Nachhaltigkeit, Fairness und Tierwohl zu achten. Mona selbst kauft nur im Bio-Laden ein. „Nur Toms Lieblingschips, die hol‘ ich im Supermarkt“, fügt sie schmunzelnd hinzu und zwinkert ihrem Mann zu.

Immer am Handy: Kamera-Übertragung aus dem Stall
Während Mona in ihrer roten Küche – „Die hat Tom selbst gemacht, toll, wenn man sowas kann, oder?“ ¬– Frühstück herrichtet, fällt ihr Blick immer wieder aufs Handy. Nein, keine morgendliche Freudinnen-Whats-App. „Wir gehen um 19:00 Uhr ins Bett, da ist nichts mit Mädelsabend.“ Sie schaut via Kamera wie es Anna geht. Die Kuh steht in der Abkalbebox, jede Sekunde kann es losgehen. Immer wieder ein aufwühlender Moment für Mona – wie so viele, die sie in ihrem neuen Beruf erlebt. Sie sei nie naiv an ihr neues Leben als Bäuerin herangegangen, sie habe gewusst, wie viel harte Arbeit und wie wenig Freizeit auf sie zukommt, macht sie deutlich. „Aber dass es so emotional wird, damit hab‘ ich nicht gerechnet“, sagt sie sichtlich gerührt. Und dann beschreibt sie, wie erfüllend es ist, wenn sie mit einem Kälbchen am Strick täglich spazieren geht, weil es wegen seiner Rachitis viel gehen soll. Wie schlimm es ist, wenn es die Tiere aufgrund ihres Herdenverhaltens auf ein schwächeres Mitglied abgesehen haben und die gepiesackte Kuh in der Nacht zum Schreien anfängt. Wie herzergreifend es ist, wenn ein Kälbchen nach schwerer kräftezehrender Geburt auf die Welt kommt. Und wie traurig, wenn eine Kuh wegen einer Krankheit eingeschläfert werden muss. „Der Tierarzt hat schon gesagt, ich soll draußen bleiben, aber das mach ich nicht.“ Beistand leisten, den gemeinsamen Weg zu Ende gehen – dann eben unter Tränen.


Demeter-Bauern: gelebte Gemeinschaft
Mittags erwartet die Bauernfamilie noch eine Hofbesichtigung. Andere Demeter-Bauern wollen sich den nach neuesten Standards gebauten Laufstall ansehen. „Das ist das Schöne an Demeter: Wir sind immer im Austausch“, beschreibt Mona. Aber die Besucher interessiert nicht nur der Neubau, sie wollen auch schauen, wie es „ihren Tieren“ geht. Von all den Landwirten haben die Schrobenhausers beim Aufbau ihrer Demeter-Herde Kühe gekauft und natürlich Tipps bekommen. Die kleine Gruppe steht am Ende des Laufstalls und blickt auf die Herde, die friedlich auf der Weide grast. Cecilia sitzt auf der Schaukel, die ihr ihr Papa zum Geburtstag gebaut hat. Plötzlich springt sie runter, schnappt sich ihr Fahrrad und saust mit ihm mitten durch den Laufstall zu ihren Eltern.
 

DEMETER-Bauern wirtschaften nicht nur biologisch, sondern biologisch-dynamisch!

Biologisch wirtschaften verfolgt den Grundgedanken: Mit der Natur zu leb en und zu arbeiten, zum Schutz der Umwelt und zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen.


Wie für alle Biobetriebe gilt auch für Demeter-Landwirte:

  • Verzicht auf chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie treibende Mineraldünger
  • harmonische, organische Düngung
  • standortgerechte Fruchtfolge  
  • Auswahl regional angepasster Pflanzensorten
  • artgerechte Tierhaltung
  • Fütterung mit Bio-Futter (hier Demeter)
  • Keine Gentechnologie bei Anbau & Fütterung


Was machen Demeter-Landwirte zusätzlich und damit so besonders?

  • Der Demeter-Hof wird wie ein in sich selbstständiger autarker Lebensraum – gleichsam einem Organismus – verstanden.
  • Daher halten Demeter-Landwirtinnen und -Landwirte immer auch Tiere, deren Mist als organischer Dung eingesetzt wird, um die Böden nicht auszulaugen, sondern die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und zu steigern.
  • Artgerechte Tierhaltung bedeutet z.B. bei Kühen neben mehr Platz: Kühe tra-gen stolz ihre Hörner.
  • Wirtschaftsdünger und Kompost werden biodynamisch gepflegt, wodurch die Humusbildung aktiv unterstützt und dadurch verbessert wird.
  • Das Wachstum der Pflanzen wird mit Präparaten aus Heilpflanzen, Rindermist und Quarzmehl gefördert.
  • Aussaat, Pflege und Ernte werden möglichst unter Berücksichtigung der Rhythmen der Gestirne ausgeführt und so das Ergebnis verbessert. So wachsen oberirdische Pflanzenteile am besten bei zunehmendem Mond, Wurzelwachstum findet vermehrt bei abnehmendem Mond statt. Reife Früchte sind bei der Ernte zum Vollmond am aromatischsten. Soll Obst jedoch eingelagert werden, ist kurz nach dem Vollmond die bessere Zeit, denn dann ist die Reifephase ab-geschlossen.

Ein Organismus ist nie im Stillstand. So arbeiten die Demeter-Landwirte in regionalen Arbeitsgruppen eng zusammen, um von den Erfahrungen der anderen zu lernen und sich gleichzeitig gegenseitig zu unterstützen.

*Es sind stets Personen jeden Geschlechts gemeint; zur leichteren Lesbarkeit verwenden wir nur die männliche Form.

Bildunterschrift:
Ruhe ausstrahlen statt Hektik zelebrieren: Mona Schrobenhausers Weg von der Karrierefrau aus Köln zur Demeter-Bäuerin in den Bergen.

Bildquelle:
Molkerei Berchtesgadener Land

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