Höhenmeter um Höhenmeter schraubt sich der Almtruck der Molkerei Berchtesgadener Land, ein MAN TGS 26500 , auf dem schmalen Schotterweg kontinuierlich Richtung Kitzbühler Horn. Etwas unterhalb des markanten Berggipfels sind die Kühe von Landwirt Thomas Bachler zu dieser Zeit bereits wieder im Stall. „Denen is es tagsüber viel zu heiß, spätestens um 10 Uhr wollen’s wieder rein, da stehn‘s schon Schlange“, erklärt der vierfache Familienvater. Um 4.30 Uhr hat er mit seiner Frau Uschi die Kühe gemolken, damit die Tiere spätestens um 6 Uhr auf der Almweide stehen: die kühle Morgenluft in den Bergen ist die Wohlfühltemperatur für die Milchkühe auf 1.200 Höhenmeter. Roland Aicher hingegen trifft mit dem Almtruck direkt um 12 Uhr auf der Alm mit den sagenhaften Ausblicken zum Wilden Kaiser bis hin zum Watzmann ein. Weder Mittagshitze noch die anspruchsvollste Tour der gesamten Milchabholung der Genossenschaftsmolkerei bringen den „Milli-Fahrer“ ins Schwitzen.
Drei Almen erwarten Roland unter anderem auf seiner Tour, auf der er insgesamt rund 15.000 Liter Milch einsammelt. Immer am Ende stehen die Almfahrten an. Das hat die Molkerei Berchtesgadener Land im Tourenplan bewusst festgelegt, um jeglichen Zeitdruck von ihren Milchwagenfahrern zu nehmen. Denn keine der drei Almen liegt unterhalb von 1.200 Höhenmetern, jede ist auf einem anderen Berg und alle sind nur über schmale Straßen mit engen Kurven zu erreichen. Mountainbiker und Wanderer lieben die steilen Anstiege auf den Schotterstraßen, für die sie mit einem atemberaubenden Postkartenpanorama belohnt werden. Für Mensch und Maschine ist die Abholung der Bergbauern-Milch Tag für Tag eine extreme Herausforderung. Die Hochalm von Landwirt Stefan Lindner hat schon so manchem Fahrer den Schneid abgekauft – selbst wenn er nicht am Steuer eines 500 PS starken Milchsammelwagen saß.
„Aktuell sind wir drei Fahrer, die die Tour fahren“, sagt der 43-Jährige. Und das ist keine Selbstverständlichkeit: Ein weiterer Fahrer hat nach einigen Anlernfahrten die Tour abgelehnt. „Er konnte nicht mehr schlafen, wenn die Hochalm auf der Tourenliste stand. Angst und schwitzige Hände bei so einer Strecke, das bringt dann keinem was.“ So sieht das auch der Geschäftsführer der Genossenschaftsmolkerei, Bernhard Pointner. Keiner muss diese Tour im alpinen Gelände fahren – das galt von Anfang an. „Wir haben letztes Jahr gemeinsam mit den Fahrern vor Ort beschlossen, die Milch der Bergbauern dort oben zu erfassen. Ohne die Zustimmung der Männer, die alle zwei Tage diese Wahnsinns-Strecke mit unserem Almtruck und der flüssigen Ladung on top bewältigen, hätten wir das nicht entschieden.“
Roland, der vorher im BMW-Rennteam gearbeitet hat, lenkt jetzt mit ganz viel Ruhe den Tanklastwagen Serpentine um Serpentine zur Hochalm. „Meistens geht sich’s genau aus. Das geht aber nur wegen des extrem kurzen Radstands des MAN TGS.“ Und manchmal hilft selbst der nicht mehr, um die extrem enge Kurve in einem Zug durchfahren zu können. Dann rangiert Roland mit dem „Almtruck“ auf dem schmalen Schotterweg: Steigung 28 %, Spielraum 40 Zentimeter. Der Blick gerade aus geht Richtung Bergmassiv vor weiß-blauem Himmel, der Blick nach unten auf einen grünen Abhang von sandigen Schlangenlinien durchzogen. Roland lenkt ein: einmal, fünfmal, elfmal. Seit Mai fährt er jeden zweiten Tag auf die Kitzbühler Alm, die Hochalm und die Moseralm in Tirol. Er weiß auswendig, wann welche ausgesetzte Engstelle kommt, wie er einlenken muss, wie weit er zurückfahren kann, ohne in die Tiefe zu stürzen. Eine Unachtsamkeit am Berg verursacht keinen Blechschaden. Ein Fehler am Berg bedeutet den Absturz. „Ist sicherer nicht angeschnallt zu sein, dann könnte man rausspringen“, erklärt Roland – ganz unaufgeregt nebenbei. Nervenstärke und Fahrkönnen des Milchwagenfahrers trifft auf den Alleskönner von MAN – eine sichere Kombination auf gefährlicher Strecke.
Auf 1.600 Höhenmetern angekommen wird Roland heute ausnahmsweise von der gesamten Familie Lindner begrüßt. Für die drei Mädels steht das Ferienende kurz bevor, für Roland mit der Abfahrt von der Hochalm der schwierigste Teil der gesamten Tour. Die flüssige Ladung schwappt hin- und her, schiebt den Truck förmlich bergab. Roland bremst, schaltet am Lenkrad, schlägt ein. Der HydroDrive des TGS, die hydraulisch angetriebene Frontachse, gibt dem „Almtruck“ den nötigen Halt. Die Lebensversicherung auf den wenig befestigten Wegen, auf denen Roland mit dem Truck gegen die Schwerkraft rangiert.
Unten angekommen pumpt Roland die frisch abgeholte Milch in einen Anhänger um, der während der Almtour unten stehen bleibt. Ohne Gewicht im Tank packt der „Milli-Fahrer“ die letzte der drei Almen an. Am frühen Nachmittag kommt er mit dem Almtruck, Anhänger und der Milch hoch aus den Bergen auf den Hof der Molkerei in Piding. Roland pumpt die gesammelte Milch ab, reinigt noch den Bergbauernmilch-MAN und freut sich auf seinen Feierabend im Garten. Langsam denken auch die Kühe von den beiden Bergbauern wieder ans Rausgehen. „Die kühlen Fallwinde am Abend in den Bergen lieben’s einfach. Da stehen sie dann nicht freiwillig vorm Stall, da muss ich schon schauen, dass ich sie wieder reinkrieg‘“, lacht Thomas Bachler, der es liebt mit seiner ganzen Familie den Sommer auf der Alm zu vebringen. „Da heroben schlaft man ganz anders, so richtig guad“ – wenn auch nur bis 4.00 Uhr morgens.