Piding: Die Molkerei Berchtesgadener Land hat im Juni ihre neue Glasabfüllanlage offiziell eingeweiht. Mit 35 Millionen Euro ist der Aufbau der neuen Produktionshalle samt Anlage eine der größten Investitionen in der Geschichte der Genossenschaftsmolkerei. Die bestehende Flaschen-Abfüllanlage stieß 2019 an ihre Kapazitätsgrenzen. Für die Molkerei stand außer Frage Demeter-Alpenmilch und Naturland Bio-Sahne weiterhin im Glas anzubieten. Nun verfügt sie über eine der weltweit modernsten und bezüglich Wasser- und Spülmittelbedarf sparsamsten Mehrweg-Abfüllanlagen. Mit diesem Invest geht die Molkerei konsequent ihren Weg in Richtung umweltfreundliche Verpackungslösungen weiter, wie Geschäftsführer Bernhard Pointner skizzierte. Offen sprach er dabei auch das sich angesichts der aktuellen Krisen und inflationären Preissteigerungen ändernde Kaufverhalten an. Er zeigte sich aber davon überzeugt, „dass ehrliche Produkte in nachhaltiger Mehrwegverpackung die Zukunft sind“ und die Molkerei damit für die Zeit nach den Krisen richtig aufgestellt sei. Das bestätigte auch Martina Birk, Nachhaltigkeitsbeauftragte vom Neutraublinger Anlagenbauer Krones, der die moderne Glasabfüllanlage in der Molkerei eingebaut hat. In ihrem Impulsvortag stellte sie die Herausforderungen von Mehrweg bei Milch und dem Nachhaltigkeitsaspekt von Mehrweg-Glas-Flaschen heraus. Dass trotz Corona und weltweiten Lieferschwierigkeiten der Neubau und die Anlage fristgerecht aufgestellt werden konnten, verdankt die Molkerei ihrem Credo auch bei Partnern auf Nachhaltigkeit zu setzen.
Die Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land steht seit Jahrzehnten für eine Herkunftsgarantie im doppelten Sinn. Die Milch der eigenen Mitglieder, der Landwirt:innen zwischen Watzmann und Zugspitze, wird erfasst und außerdem ausschließlich am einzigen Standort in Piding im Berchtesgadener Land frisch verarbeitet. Eine Lohnabfüllung durch andere Molkereien findet nicht statt, sodass Kund:innen sicher sein können: Rohstoff, Verarbeitung und damit auch die besondere Qualität stammen garantiert von Berchtesgadener Land. Das bedeutet umgekehrt: Die Produktion der Bio-Produkte kann nicht ausgelagert werden und es muss am eigenen Standort laufend investiert und modernisiert werden, um z.B. Hygienestandards und neuen Trends zu entsprechen bzw. Abfüllkapazitäten vorzuhalten. Bei der Planung der Flaschenanlage war schnell klar: Die Aufstellung der neuen Anlage muss parallel zur laufenden Produktion an anderer Stelle erfolgen. Schließlich benötigt eine Inbetriebnahme mit allen nötigen Qualitätsprüfungen und Probeläufen von Reinigung und Abfüllung Wochen.
Die Produktion IV: Neues Gebäude auf bestehendem Molkereigelände
Das dafür benötigte Gebäude fügt sich als neues, an die Produktion I angebautes Bauwerk perfekt auf dem seit 1986 am Hockerfeld in Piding bestehenden Unternehmensstandort ein. Die sogenannte Produktion IV rundet als Ersatz- und Erweiterungsbau die Bebauung entlang der Pidinger Ache in Deutschlands ältesten Biomolkerei perfekt ab. Dazu wurden die Räumlichkeiten der alten Verladung, die seit 2015 am benachbarten Gänslehen erfolgt, abgerissen und die Fläche bestmöglich genutzt. Entstanden ist eine neue Bebauung mit 51.000 Kubikmetern auf rund 2.300 Quadratmetern mit über alle Stockwerke rund 7.000 Quadratmetern Nutzfläche. Im Parterre wurde die neue Glasabfüllanlage inklusive Flaschenwaschanlage mit 850 Quadratmeter Platzbedarf aufgestellt. Im ersten Stock wird schrittweise das Processing zur Herstellung von Sauermilchprodukten mit Erhitzung, Tanks und Kulturenbereitung und voraussichtlich eine neue Butterei aufgestellt. In den zwei obersten Geschossebenen wurden Büros der Abteilungen Qualitätsmanagement, Projektmanagement, Technik und Produktentwicklung untergebracht. Eine Lüftungsanlage mit stockwerksunabhängiger Betriebsweise wurde für alle Ebenen eingebaut. Besondere Herausforderung beim Bau war die „Einhängung“ einer 54 Meter langen und 50 Tonnen schweren Versorgungsbrücke für die Versorgung des neuen Gebäudes mit Warmwasser, Eiswasser sowie Druckluft und Dampf aus der molkereieigenen Energiezentrale. Dafür waren zwei große Kräne mit 750 bzw. 500 Tonnen Gewicht nötig, die die Brücke als Ganzes über dem Dach der Produktion I einsetzten.
Die neue Abfüllung: Mehr Flaschen bei weniger Wasserbedarf
Das Segment Trinkmilch ist neben Schlagrahm, Butter und Topfen eine der wichtigsten Produktkategorie bei Berchtesgadener Land. Dieses Sortiment umfasst eine breite Vielfalt an Milch-Qualitäten: bio und konventionell, verschiedene Fettstufen von 0,7 bis 3,8 Prozent Fett, verschiedene Gebindegrößen von 250 Milliliter bis 10 Liter, von Standard bis laktosefrei, abgefüllt im Tetrapack, Eimer und bereits seit 1991 auch in glasklaren und braunen Mehrwegglasflaschen. Beide Premiumprodukte, die Demeter-Bio-Alpenmilch und auch die Bergbauern-Milch, sollen auch zukünftig in der Mehrweg-Glasflasche angeboten werden. Für die neue Anlage wurden drei Ziele verfolgt: Verbesserung der Ökobilanz, Verbesserung der Qualität und Erhöhung der Abfüllkapazität.
Die Ökobilanz einer Glasflasche muss dabei immer in ihrem Gesamt-Kreislauf gesehen werden, betonte die Nachaltigkeitsbeauftragte Martina Birk. „Es gibt nicht pauschal die nachhaltigste Verpackung. So muss bei Glasflaschen immer der Verkaufsradius, die Leergutrückführung und auch der Wasserverbrauch bei der Reinigung abgewogen werden. Die Molkerei Berchtesgadener Land hat ihre Hausaufgaben diesbezüglich gemacht.“ So verbraucht die neue Reinigungsanlage für das Flaschen-Leergut nur noch halb so viel Wasser und deutlich weniger Reinigungslauge. Erreicht wird dies durch eine spezielle Laugenfiltration, sodass die Lauge länger eingesetzt werden kann, bevor die Flasche zum Schluss mit Frischwasser gespült wird. Qualitäts- und Hygienestandards standen im Pflichtenheft ganz oben. Die ganze Anlage wurde daher komplett in Edelstahl ausgeführt und ist daher gut vor Korrosion geschützt und entsprechend langlebig. Der Eingangsbereich mit Leergutreinigung wurde durch eine Wand komplett vom Abfüllbereich getrennt und der Füllbereich mit einem Reinraum-Dach mit speziellen Luftfiltern sicher ausgestattet, so dass beste hygienische Bedingungen in der Produktion bestehen. Die Abfüllkapazität wurde mit 12.000 Flaschen pro Stunde festgelegt und damit verdoppelt. Damit können die Berchtesgadener endlich wieder Kundenanfragen zur Demeter-Flaschenmilch positiv beantworten, die die letzten Jahre wegen Kapazitätsengpässen abgesagt werden musste.
Paul Althammer, stellvertretender Produktionsleiter, leitete das Projektteam, das sich nach umfangreicher Ausschreibung für die Flaschenwasch- und Abfüllanlage von Krones entschied. Bei der Führung in der Molkerei schilderte Althammer eindrücklich, auf welche Details bei der neuen Anlage geachtet und welche Spezialanfertigungen umgesetzt wurden. „Unser Projektteam bestand ausschließlich aus Molkerei-Mitarbeitern. Mit zusammen 125 Jahren Molkerei-Erfahrung von Produktion, Elektrik und Werkstatt haben wir uns gemeinsam eine maßgeschneiderte Anlage aufgebaut“, erzählt er.
Der in Neutraubling bei Regensburg ansässige Anlagenbauer konnte als einziger die nötigen Anlagenteile in der gewünschten hochwertigen Ausführung anbieten und ist zudem bei Berchtesgadener Land schon seit über 30 Jahren als zuverlässiger Partner bekannt. Ergänzt wurde die Anlage mit Transportbändern von bms aus Pfattern in der Oberpfalz und der nötigen Inspektionstechnik für Leergut- und Vollgutkontrolle von Heuft aus Burgbrohl im Rheinland. Langfristige Beziehungen zu Partnern gehören zur Nachhaltigkeitsphilosophie der Molkerei. Die Entscheidung – 2019 gefällt - hat sich in doppelter Weise bewährt: „Wir hatten uns für Firmen in Deutschland aus Nachhaltigkeits- und Qualitätsgründen entschieden, ohne zum gegebenen Zeitpunkt über die Aspekte der Verfügbarkeit durch sichere Lieferketten oder mögliche Reisebeschränkungen nachzudenken. Im Nachhinein hat sich das als goldrichtig herausgestellt, denn anders hätten wir unser Projekt während der Pandemie nicht stemmen können“, sagt Althammer.
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