Bunt statt nur schwarz-weiß
18. September 2023

Bunt statt nur schwarz-weiß

In der Alpenregion dominieren Zweinutzungsrassen 

1,6 Millionen Milchkühe in Deutschland gehören laut eingetragener Zuchtliste der Hochleistungsrasse Holstein an, die seit Ende des 19. Jahrhunderts beginnend in Nordamerika* kontinuierlich auf höchste Milchleistung gezüchtet wurde. Anders in Bayern entlang des Alpenkamms zwischen Watzmann und Zugspitze: Im Milcheinzugsgebiet der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land halten rund 95% der Landwirte Fleckvieh, eine typische Zweinutzungsrasse für Milch und Fleisch, die ihren Namen der braun-weiß gefleckten Fellfarbe verdankt und ursprünglich in der Schweiz beheimatet war. Aber es gibt auch einige Exoten wie Pinzgauer oder Braunvieh.

 

Johann Höß weiß sie schon immer auf dem Manglhof in Bad Wiessee am Tegernsee: die braun-weiß gescheckten Kühe der Rasse Fleckvieh, die bei ihm auf dem Hof auch alle noch behornt sind. Seine Groß- und Urgroßeltern setzten schon auf diese Zweinutzungsrasse. Mit der Hofübernahme hat er die Mitgliedschaft übernommen und ist seither selbst Mitglied im Fleckvieh-Zuchtverband. Neben einer guten Milchleistung und Fleischzunahme sind ihm die Gesundheit und Fitness seiner Kühe wichtig. Auch deshalb verbringen seine Tiere als Kälber und Jungrinder die ersten zwei Lebensjahre den Sommer auf seinen beiden Almen, der Waxlmoosalm und der Schwarzentennalm in den Tegernseer Bergen. Höß ist überzeugt, dass damit ein guter Grundstein für die Gesundheit seiner Kühe gelegt wird, denn Weide fördert eine gute Klaue, die maßgeblich für die Gesundheit von Kühen ist. Mit dem Fleckvieh ist er aufgewachsen und setzt die Tradition am Hof weiter: 2018 hat er den Manglhof übernommen, kürzlich den neuen Laufstall bezogen, aber die Rasse ist geblieben. In der Zucht achtet er neben besonders guten Eigenschaften bei Fitness, Milchmenge und Fleischqualität auf Sanftmut. „Ich will meine Kühe weiterhin mit Hörnern halten, deshalb ist es mir wichtig, dass die Kühe neben genügend Platz im neuen Laufstall und persönlichem Kontakt beim Melken einen guten Charakter haben.“

Die Rasse stammt ursprünglich aus dem Schweizer Simmental. Vor ca. 180 Jahren hatte Max Obermeier aus dem benachbarten Gmund die Rasse in der Schweiz entdeckt. Da diese Kühe etwas größer waren und mehr Milch gaben, hatte er einige Tiere ins Tegernseer Land gebracht – der Ursprung der Züchtung des Deutschen Fleckviehs, wie die Rasse heute heißt. Schnell hatte sich die gute Milch- und Fleischqualität herumgesprochen und weitere Landwirt:innen rund um Gmund - so auch auf dem Manglhof in Bad Wiessee - wollten Tiere der Rasse haben.

 

Ins Braunvieh verliebt

Einen anderen Weg ging man auf dem Freiberglehen in Schönau am Königssee. Nachdem 1967 aufgrund einer Tierseuche der Bestand neu aufgestellt werden musste, entschied sich der Schwiegervater Jakob Brandner für das Braunvieh, das damals auch hier noch öfter auf den Höfen gehalten wurde. Begonnen hat deren Züchtung bereits vor rund 600 Jahren in der Zentralschweiz. Kennzeichnend für das Braunvieh ist die einheitlich braun bzw. graubraune Farbe. Die Stiere sind dunkler. Das Flotzmaul und die Klauen sind dunkel, Flotzmaul und Augen dabei hell gesäumt. Heute findet man diese Zweinutzungs-Rasse vor allem im Allgäu. So gesehen sind die Brandners, die beim Braunvieh geblieben sind, heute echte Exoten im Berchtesgadener Land. Als Christa Brandner 1991 auf den Hof eingeheiratet hat, hat sie sich quasi ein zweites Mal verliebt: ins Braunvieh. Neben der Optik überzeugten Christa Brandner vier Eigenschaften dieser Rasse: „Die Milch weist einen etwas höheren Eiweißgehalt auf, das macht sich bei der Bezahlung nach Inhaltsstoffen bemerkbar. Noch wichtiger aber sind für uns die gute Melkbarkeit der Kühe, Langlebigkeit und die ideale Eignung für die Alm.“ Die Tiere sind etwas leichter, dadurch entstehen weniger Trittschäden auf den wertvollen Almflächen, ergänzt die Bäuerin.

 

Pinzgauer-Züchter mit Leib und Seele

Ebenfalls als Zweinutzungsrasse gezüchtet wurden die Pinzgauer Rinder. Besonderheit: Die Tiere sind nochmals kleiner, leichter und beweglicher. Es sind sozusagen die Berggeher unter den Rindern. Und sie sind bezüglich des Futters viel genügsamer, benötigen weniger Energie im Futter und damit auch kaum Kraftfutter wie Getreideschrot. Auch sie verursachen durch ihr geringeres Gesamtgewicht weniger Trittschäden auf den Almwiesen, die sich in der kurzen Vegetationsperiode in den Bergen immer nur langsam davon erholen können. Josef Koller hat den Tierbebestand der reinrassigen Pinzgauer schon von seinem Vater übernommen. Auf dem Keilhoflehen in Bischofswiesen züchtet man schon seit über 100 Jahren das Pinzgauer Rind. Es stammt, wie der Name schon sagt, aus dem benachbarten österreichischem Pinzgau. Früher in den Ostalpen weiter verbreitet, wird die Rasse heute auf der Roten Liste der aussterbenden Rassen geführt. Mittelgroß und kastanienbraun mit breitem weißem Streifen, der am höchsten Punkt, dem Widerrist beginnt, über Rücken und Hinterseite der Oberschenkel läuft und Bauch und Unterbrust einnimmt, so beschreiben Fachbücher die Optik dieser Kühe. Der Schwanz ist ebenfalls weiß, Klauen und Flotzmaul sind dunkel, ergänzt Koller. Für ihn sind es die schönsten, aber auch die besten Tiere für die Alm. So verbringt seine ganze Herde den Sommer über auf der Mordau-Alm. Ein kleiner Teil der Milch wird von der Sennerin verkäst und als Brotzeit an Wanderer verkauft, doch der überwiegende Teil wird zweitägig zur Deutschen Alpenstraße gefahren und vom Sammeltankwagen der Molkerei Berchtesgadener Land abgeholt.

 

Milch und Fleisch gehören zusammen

Was allen drei Rassen gemeinsam ist: Sie sind Zweinutzungsrassen. Die weiblichen Kälber sind die Milchkühe von „Morgen“ und werden daher auf den Höfen großgezogen, bis sie schließlich als Jungkühe im Alter von 2,5 bis 3 Jahren selbst ein Kalb zur Welt bringen und damit auch Milch geben. Werden auf einem Hof zu viele weibliche Kälber geboren, so werden sie die ersten ein bis zwei Monate großgezogen und dann auf dem regionalen Kälbermarkt – so zum Beispiel in Traunstein, Miesbach oder Weilheim – anderen Milchbauern:Milchbäuerinnen zum Kauf angeboten. Die Kälber wechseln also den Bauernhof und werden dann dort großgezogen, um später Milch zu geben. Die männlichen Fleckvieh-, Braunvieh- und Pinzgau-Kälber werden entweder im eigenen Betrieb zur Mast aufgestellt oder über den Kälbermarkt an einen Bauernhof verkauft, der die Kälber großzieht. Sie liefern später hochwertiges Rindfleisch.

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Bildtext:
(1) So wie Johann Höß mit knapp 30 Kühen der Rasse Deutsches Fleckvieh auf dem Manglhof in Bad Wiessee am Tegernsee halten rund 95% der Landwirt:innen der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land diese Rasse als Zweinutzungsrasse auf den Höfen zwischen Watzmann und Zugspitze.

(2) Die Brandners sind Exoten im Berchtesgadener Land: Sie halten Braunvieh in der Schönau am Königssee.

(3) Almabtrieb der Pinzgauherde von der Mordaualm nach Bischofswiesen zum Keilhoflehen der Familie Josef Koller. Im Hintergund: das Hochkalter-Bergmassiv.

(4) Manche Landwirte halten verschiedene Rassen in der Herde, so wie hier auf dem Fuchsbauernhof in Ainring im Berchtesgadener Land: Kühe der Rasse Fleckvieh und Braunvieh gemeinsam auf der Weide. Im Hintergrund: das Untersbergmassiv.

 

 Bildquelle: Molkerei Berchtesgadener Land

 

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