Seit der Gründung der Molkerei Berchtesgadener Land im Jahr 1927 ist die Bergbauern-Genossenschaft immer wieder durch ihre unorthodoxen Entscheidungen positiv aufgefallen. „Immer dann, wenn die Branche den Kopf schüttelt, haben wir alles richtig gemacht“, macht Geschäftsführer Bernhard Pointner auf der diesjährigen Generalversammlung Ende April deutlich. Für Außenstehende mag es manchmal verwunderlich sein, welche Entscheidungen zum Erfolg führen und wie sie helfen, Krisen zu durchstehen.
Die Molkerei in Piding stellt einen einzigartigen betrieblichen Kosmos dar, der auch ebensolche Entscheidungen erfordert. Ein gegebener Standort mit ganz spezifischen Anforderungen an Mensch und Vieh, der Rohstoff Milch, der täglich frisch angeliefert wird und sofort verarbeitet werden muss, die genossenschaftliche Struktur mit über 1.600 Bäuerinnen und Bauern aus der Region. Dazu wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, die nicht immer Klarheit versprechen. Ernährungstrends wie etwa der zu Milchersatzprodukten, eine oligopolistische Handelslandschaft und nun auch noch ein Krieg in Europa, Inflation und damit zusammenhängend auch eine spürbare Konsumzurückhaltung bei den Käufern.
Keine leichte Situation, wie man leicht nachvollziehen kann. All diese Marktgegebenheiten erfordern extrem viel Erfahrung im Markt, fundierte Sachkenntnis und vor allem eine langfristige Denkweise, die nicht auf kurzfristige Gewinnabschöpfung ausgerichtet ist. Doch damit kennt man sich im Berchtesgadener Land aus.
Das erste Mal reagierte die Branche mit Kopfschütteln, als die Pidinger Molkerei vor nun 51 Jahren als erste Molkerei konsequent auf Bio-Milch gesetzt und damit mehr als nur einen Trend eingeleitet hat. Mit der getrennten Erfassung der Bio-Milch und der 1988 begonnenen zusätzlichen eigenen Vermarktungsschiene als „Bergbauernmilch“ haben sich zwei feste Standbeine etabliert. Der seit 2010 100%ige Verzicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel in der Genossenschaft unterstreicht mit dem 2017 ausgesprochenen Glyphosatverbot zudem die klare Haltung der Molkerei. Auch bei diesen beiden Themen reagierte die Branche anfangs mit Kopfschütteln.
Auf den Hype mit Hafermischgetränken und anderen Ersatzprodukte, wie es einige Start-ups zelebriert haben, reagierte die Geschäftsleitung mit dem entschiedenen Bekenntnis zur Kuhmilch. Auch etablierte Molkereien folgten dem Kurs, nahmen ebenfalls Ersatzprodukte mit ins Sortiment auf und haben nun alle Hände voll zu tun, diese in den Markt zu bringen. Nicht so die Berchtesgadener, die konsequent ihrer Linie folgen und ihr Sortiment nicht mit veganen Milchalternativen kannibalisieren.
Zum Kriegsbeginn haben sich deutsche Molkereien zum Rat Race auf dem Spotmarkt hinreißen lassen. Die Milchpulververmarktung auf dem asiatischen Markt wurde plötzlich attraktiv. Dazu kam das Kontraktgeschäft mit sogenannten Hartdiscountern, wie etwa Aldi. Eine verlockende Situation zugegebenermaßen. Die Berchtesgadener Land Molkerei jedoch blieb ihrem Premium-Markenkonzept treu, hielt die Preise so stabil wie möglich und behauptet sich so langfristig als absolut verlässlicher Partner gegenüber dem Handel. Trotz der globalen Schwierigkeiten in den Lieferketten überzeugte die heimische Molkerei mit einer Lieferquote von 98 Prozent.
Die Unternehmensleitung hat zudem auch die andere Richtung im Blick. Die Molkerei als Genossenschaft steht und fällt mit der Leistung ihrer Mitglieder, den Bäuerinnen und Bauern aus dem Milcherfassungsgebiet zwischen dem namensgebenden Berchtesgadener Land und dem Zugspitzland. Dank eines intensiven Sparprogramms konnten die Pidinger im vergangenen Jahr nahezu alle Einnahmen als Milchgeld auf die Höfe zurückfließen lassen. Das überzeugt - nicht nur bestehende Mitglieder, sondern auch eine gestiegene Zahl externer Landwirte, die gerne unter das Dach der Genossenschaft schlüpfen wollen.
„Milch hat Zukunft“, fasst der Geschäftsführer Bernhard Pointner die Gesamtsituation zusammen. Dank einer gesunden Denkweise und einer überlegten Entscheidungskultur kann sich die Molkerei Berchtesgadener Land auch in Krisenzeiten behaupten. Zudem hat sie mit Investitionen von 250 Millionen Euro in den letzten 12 Jahren das Fundament für die Zukunft gelegt.
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