Piding: Die zweite Saison ist für die aus Franken stammenden Hüttenwirte der Neuen Traunsteiner Hütte auf der Reiteralm Jessica und Udo Weidner die erste „normale“ Saison. Und in die wollen sie mit neuem Regionalkonzept starten. Auf die Wünsche für die neue Saison angesprochen ist es den Hüttenwirten ein großes Anliegen das Thema Nachhaltigkeit noch stärker in den Fokus zu setzen: Sie nehmen an dem vom Deutschen Alpenverein DAV angebotenen Projekt „So schmecken die Berge“ teil. Dazu muss ein Anteil von Regional-Zutaten von über 80 Prozent erreicht und auch nachgewiesen werden. So kamen die beiden auf den Frischdienst Berchtesgadener Land, der sich seit Jahren um Regio Lieferanten bemüht. Dort gibt’s neben den Milchprodukten der gleichnamigen Molkerei inzwischen weitere Regio Produkte von rund 30 Lebensmittelherstellern, die im Umkreis von 60 Kilometer ihre Produkte herstellen.
Die erste Lieferung erfolgte via Hubschrauber am vergangenen Montag, 16. Mai. Mittels einiger Materialflüge wurden 35 Fässer Bier, Wasser, Limo, aber eben auch Frischprodukte wie Milchprodukte, Käse und Eier sowie sonstiges Material für die Versorgung der Gäste zum Alpenvereinshaus der Sektion Traunstein auf der Reiter Alpe geflogen. Michael Kaindl, selber begeisterter Bergsportler und seit diesem Jahr Frischdienstleiter bei Berchtesgadener Land, freut sich sehr über den Neukunden Neue Traunsteiner Hütte. „Das Regio-Produktsortiment haben wir aufgrund der Nachfragen stark ausgeweitet. Heute liefern wir die Produkte an viele Almen und Alpenvereinshütten wie beispielsweise die Priener Hütte, Bichler Alm und Stoißer Alm. Das Regio-Produktsortiment umfasst circa 600 Artikel – neben Milch und Milchprodukten auch Mehl, Nudeln, Eier, Säfte, Wurst und Bergader-Käse.“ Kaindl will den Hüttenwirten in der ersten Frischdienst-Saison in jedem Fall einen Besuch abstatten.
Traum-Beruf Hüttenwirt – nur mit der richtigen Partnerin möglich
Den Traum mal eine eigene Hütte für Wanderer zu bewirtschaften hatte Udo Weidner schon seit 20 Jahren. Vor sechs Jahren lernte er seine heutige Frau Jessica kennen. Und als er mit der Hüttenidee „rausgerückt“ ist, war diese gleich Feuer und Flamme für den Plan. Er ist gelernter Zimmerer, sie kaufmännische Angestellte in einer Apotheke in Sulzfeld am Main bei Würzburg. Nachdem ein gelernter Koch auch mit an Bord war, haben sie sich 2020 bei verschiedenen Hütten beworben und bei der Alpenvereins-Sektion Traustein schließlich den Zuschlag bekommen. Seither hat sich das Leben der zwei komplett gewandelt.
Der Vertrag wurde Ende März 2021 unterzeichnet und das, obwohl kurz vorher der Koch abgesprungen war. Ohne gastronomische Vorkenntnisse und Erfahrungen hatten sie - aber auch die Verantwortlichen der Sektion Traunstein - sich trotzdem auf das Abenteuer eingelassen. So war insbesondere die Küche ein echtes Wagnis. Aber im Vordergrund bei den Vorgesprächen zum Pachtvertrag mit der Sektion war das handwerkliche und organisatorische Geschick gestanden, denn schließlich ist ein Hüttenwirtepaar oft allein auf sich gestellt und Hilfe kann nicht wegen jeder Kleinigkeit von der Sektion gestellt werden. Da traf es sich gut, dass Udo gelernter Zimmerer ist. Und auch die kaufmännische Erfahrung von Jessi sind beim Führen einer „Hütte“ mit 88 Betten natürlich von Vorteil. Denn das heißt viel Organisationsgeschick, wenn alles reibungslos laufen soll. Und wenn doch Hilfe von Nöten ist, dann unterstützt die beiden Anselm Bracht, Hüttenwart und -betreuer der Neuen Traunsteiner Hütte der Sektion Traunstein.
Vom Zimmerer zum Koch
Udo als „Frontman“ in der Küche, aber auch Jessi hatten Erfahrungen beim Kochen bis dahin nur im eigenen Haushalt gemacht und tasteten sich mehr oder weniger vorsichtig an die neuen Mengendimensionen heran. So gab es in 2021 immer nur ein einfaches Tagesgericht und Brotzeiten, die im Laufe der Woche wechselten. Wegen Corona war die Terrasse auch an sonnigen Sonntagen nie so voll wie zu normalen Zeiten besetzt, sodass die beiden Neulinge die Gästebewirtung gut bewältigten. Was alle Gäste mitbringen, ist ein ordentlicher Appetit. Die einfachen und kürzeren Anstiege gehen vom Wachterl, Oberjettenberg oder Reith aus. Aber auch sie verlangen in jedem Fall gute Kondition und geeignetes Schuhwerk, um die rund 1.000 Höhenmeter in 3 ½ Stunden Gehzeit auf doch recht steilen, aber gut zu gehenden Steigen sicher zu überwinden. Der Böslsteig vom Hintersee und der Loferer Steig von Obermayrberg gehören zu den nochmals deutlich längeren und eher schwierigen Hüttenzustiegen. Wenn die Wanderer dann an der Hütte ankommen, sind alle schon entspannt, positiv von der wundervollen Natur aufgeladen, Groll und Stress sind abgebaut und die Freude über die Ankunft an der Hütte und die erste Versorgung mit Getränken überstrahlte die 2021 noch knappe Menükarte.
Hüttenstart in die neue Saison: 25. Mai
Für den Start in die nun zweite Saison sind die beiden deutlich entspannter. Am 16. Mai wurde die ganze Grundversorgung inkl. Getränke, Milch und Lebensmittel mit dem Heli angeliefert. Jetzt freuen sich Jessica und Udo schon riesig auf die neue Saison 2022, die am 25.Mai beginnt: auf das Wiedersehen mit den Almbauern in der Nachbarschaft, den Sektionsmitgliedern und natürlich allen Gästen aus nah und fern gleichermaßen.
Was sie wirklich vermisst hätten auf der Hütte im letzten Jahr: Das war der Frankenwein und die fränkischen Bratwürste, aber die bieten sie dieses Jahr als fränkische Schmankerl auf der Tageskarte an. Ihre Herkunft können die beiden sowieso nicht verheimlichen, denn schon bei der Begrüßung hört man den für die Würzburger Region typischen fränkischen Dialekt.
Kulinarisch haben sich die zwei auch einiges vorgenommen: mehr regionale Zutaten, dazu aber auch mehr Vielfalt auf der Tageskarte gepaart mit Spezialitäten aus der fränkischen Heimat. Inzwischen haben Sie die Hüttenklassiker wie Linseneintopf mit Würstchen, Spaghetti Bolognese, Kaspressknödel, Spinatknödel, Käsespätzle und natürlich den klassischen Kaiserschmarrn voll drauf. Dazu kommt die fränkische Bratwurst und neben Regio Bier gibt’s eine für Hütten ungewöhnlich gut sortierte Weinkarte – natürlich mit fränkischem Wein aus Sulzfeld am Main.
Beim Thema Nachhaltigkeit ist Jessi auch ein großes Anliegen, die Wanderer noch mehr zum Thema Müll zu sensibilisieren. „Wer in den Bergen unterwegs ist, der hat Getränke und Brotzeit im Gepäck. Und wer zurück kommt von der Tour, der sollte glücklich, entspannt und mit einem leichten Rucksack - aber inklusive seines Mülls im Gepäck - ins Tal kommen.“ Dafür stellt die umweltfreundliche Fränkin denen, die das vergessen haben, auch gleich kleine Müllsäckchen zur Verfügung. Denn so wie am Saisonstart Material und Lebensmittel raufgeflogen werden, muss am Saisonende der Müll wieder heruntergeflogen werden. Und da zählt jede Mülltüte, die schon im Tal ist um die Natur zu schonen und auch Kosten zu sparen.
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